Montag, 12. November 2007
Das Leben des spirituellen Lehrers...
Heute ist ein spezieller Tag. Heute ist etwas Spezielles in mir passiert. In der Solaren Linie, dem Acararca Amnya Paramapara (Sanskrit für "Solare Tradition"), bedeutet "ein spiritueller Lehrer sein" nicht unbedingt, dass man spirituelles Wissen oder Meditationen lehrt. Vielmehr beginnt das Leben als spiritueller Lehrer damit, dass man anfängt ein spirituelles Leben zu führen. Und ein spirituelles Leben zu führen bedeutet in einfachen Worten "von innen nach außen" zu leben. Man hört mehr und mehr auf, mit den gelernten Mustern auf die Reize von außen zu reagieren, die Augen zu verschließen und vor allem seine Identität zu schützen - anstatt zu leben kämpfte man um's Überleben, und es war nicht einmal wirklich das Überleben, sondern letztlich nichts weiter als eine falsche Vorstellung darüber, wer man zu sein glaubte.

Stattdessen gibt man in einem spirituellen Leben mehr und mehr seine inneren Verteidigungsmuster auf - man erkennt, dass man nicht Dies ist, oder Jenes, sondern dass die eigene Natur im Ausdruck des Göttlichen Scheinens liegt. Man öffnet sich, das Herz wird unverteidigt - und durch uns hindurch kann unser höchstes Selbst scheinen. Man kann dies in den Qualitäten der Göttlichen Absicht ausdrücken: Das Göttliche in Allem sehen, Wertschätzung, Ahimsa (das Prinzip von "Nicht-Schaden"), Dankbarkeit, Großzügigkeit, Geduld, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Man lehrt nicht unbedingt, indem man jemandem etwas sagt; gewiss lehrt man nicht, indem man predigt - sondern durch sein eigenes, authentisches und aufrichtiges Leben, durch das eigene Sein, die eigene Präsenz. Ein aufrichtiges Leben ist ein einfaches Leben, denn Aufrichtigkeit ist letztlich der einfachste, natürlichste Seinszustand. Man verstellt sich nicht mehr - weder bewusst, noch unbewusst. Anstatt sich den Widrigkeiten des Lebens anzupassen, erlaubt man dem Leben von innen nach außen in die Welt zu scheinen.

Indem man sich so mehr und mehr der inneren Sonne zuwendet (deswegen "solar"), und ihr erlaubt, durch einen hindurch zu scheinen, beginnt auch die eigene Präsenz mehr und mehr zu scheinen. Man strahlt etwas aus, das in Worten nicht zu beschreiben ist. Darin liegt durchaus auch eine Versuchung und Prüfung, denn andere Menschen sehen das, und man bekommt immer häufiger Komplimente. Daraus könnte man sich nun leicht eine neue Identifikation basteln "ich bin der spirituelle Lehrer". Man könnte anfangen über sich zu denken "ich bin toll", oder auch "ich bin besonders bescheiden". Das passiert leicht, wenn man es persönlich nimmt - wenn man die Erfahrung festhalten will.

Oder: Man freut sich einfach unschuldig und erlaubt jedem neuen Moment, etwas Neues hervorzubringen - unvorhersehbar, jeden Augenblick neu, jeden Augenblick frisch.

Dieses unschuldige, aufrichtige, großzügige Strahlen wird letztlich das Geschenk, welches wir der Welt anbieten. Ein freies Angebot, ohne (Wieder-)Haken. So kann man, indem man selbst inspiriert lebt, mühelos und absichtslos zu einer Inspiration für Andere werden. Wozu andere dies inspiriert, kann man weder wissen noch wollen, aber im Kern wird es manche dazu inspirieren, dieses Licht in sich selbst zu suchen und zu finden, oder das bereits leuchtende Licht noch ein wenig mehr strahlen zu lassen. Sich mehr auf den eigenen, individuellen und einzigartigen Strahl auszurichten - sich tiefer in die Solare Linie auszurichten, die niemals mit einer Religion oder Sekte verwechselt werden sollte, sondern einfach die bewusste Ausrichtung auf unsere innerste, unsterbliche Natur bezeichnet.

Nun ist es aber durchaus auch so, dass es aus dieser Solaren Linie heraus auch konkretes spirituelles Wissen und konkrete Meditationstechniken gibt. Bestimmte Dinge funktionieren einfach auf eine bestimmte Art und Weise - und wenn man Techniken praktiziert, die diese natürliche Funktionsweise in sich tragen, wird es einfacher, sich zu erinnern. Letztlich geht es natürlich um die Präsenz, um das Sein - dennoch ist die Frage für viele naheliegend, wie man denn konkret tiefer in seine eigene Präsenz und sein eigenes Sein eintauchen kann. Mag schon sein, dass wir inzwischen wissen, dass wir alle längst erleuchtet sind, dass wir alle schon immer eins waren.. aber... ist dies auch unsere alltägliche Erfahrung, die grundsätzliche Wahrheit aus der heraus wir unser Leben gestalten?

Vor langer Zeit wurde dieses ursprüngliche in uns allen verborgene Wissen von Priesterinnen und Priestern in den heiligen Hallen der Tempel in seiner Reinheit erhalten - und aufrichtig Fragende wurden würdevoll und mitfühlend daran erinnert. An verschiedensten Stellen findet man Bruchstücke dieses Wissens auch heute noch, vieles ist aber auch einfach im Strudel der Zeit verloren gegangen. Erfreulicherweise kommt dieses Wissen gerade in seiner Reinheit und Vollständigkeit wieder zurück. Und so gibt es heute Menschen, die dieses Wissen studieren, die Techniken praktizieren und damit tiefer in ihre eigene Präsenz, in ihr eigenes Sein vordringen.

Manche wählen, diese Präsenz und ihr Sein im Seva anderen zur Verfügung zu stellen. Seva bedeutet, bewusst sein Dharma zu leben. Dharma ist letztlich genau dieser innere Strahl. Es ist keine festgelegte Bestimmung, sondern eher das Sich-Entfalten von Realisation zu Realisation. Der Flug des Schwans. Man könnte Seva auch mit "spiritueller Dienst" übersetzen, was es einerseits sehr gut trifft, andererseits aber leicht mißverstanden werden kann. Worum es letztlich geht ist, von Augenblick zu Augenblick in sein Innerstes hinein zu hören. Interessanterweise hört man dort einen Ruf, den man auch außen hören könnte - aber letztlich ist Innen und Außen eins. Das göttliche Strahlen ruft danach sich durch uns hindurch in die Welt bringen zu dürfen, und Seva bedeutet, dies bewusst zu erlauben. Das ist mühelos und freudvoll.

Dabei spielt es keine Rolle, ob man einer alten Dame über die Straße hilft, ein trauriges Kind anlächelt, oder dem Chef in einer entscheidenden Situation bestimmt und doch mitfühlend die Meinung sagt. Es spielt keine Rolle, ob man sein Leben lang in Tibet meditiert, um die Welt reist, oder in einer ganz normalen Stadt einen "ganz normalen Job" hat, und sein Licht dort scheinen lässt, wo es nicht weniger gebraucht wird, als überall sonst. Es gibt da keine starren Regeln, Dogmen oder Ideologien - kein gut oder schlecht; richtig oder falsch. Worauf es ankommt ist einfach die Aufrichtigkeit, und die Authentizität. Es kommt nur an auf das mitfühlende Hören nach innen.

Jemand, der dies verwirklicht, führt ein "spirituelles Leben" und lebt damit das Leben des spirituellen Lehrers. Und das muss niemandem gesagt werden, niemand muss es erkennen oder anerkennen - man lebt einfach, und indem man lebt, gibt man der Welt von Moment zu Moment, was sie von Moment zu Moment braucht.

Jeder, auf seine einzigartige Art und Weise. Keine zwei Menschen in der gleichen Form - aber mehr und mehr Menschen in Gemeinschaft.

Und eine Möglichkeit ist dann natürlich auch, das alte Solare Wissen über unsere Existenz in einer konkreten Form mit anderen zu teilen, oder auch Meditationstechniken an Menschen weiterzugeben, die sich erlauben, mühelos und ohne Streben ihren Weg zu sich selbst ein wenig bewusster und fokussierter zu gehen - sich demütig auf ihr Erwachen vorzubereiten, "demütig" im Sinne von: Die Möglichkeit anerkennend, dass es mehr gibt, als wir uns vorstellen können - die Wahrheit ist viel größer, als wir es uns vorstellen können. Die Möglichkeit anerkennend, dass es nach all den erfolglosen Versuchen vielleicht doch passieren kann. Nicht, dass es erstrebenswert wäre, denn das Streben wird es garantiert verhindern - aber es ist allemal erlebenswert.


Das Besondere für mich an diesem heutigen Tag ist, dass ich fühle, dass der Ruf in mir auf einmal sehr konkret in meinem Inneren hörbar wurde, genau dieser Möglichkeit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte schon seit einiger Zeit bei verschiedensten Gelegenheiten mit den verschiedensten Menschen kleine Teile aus diesem unendlichen Schatz der Wissenschaft des Seins geteilt. Auch hatte ich schon einige Menschen in Solare Meditations- und Heiltechniken eingeweiht, wenn ich darum gebeten wurde. Das geschah jedoch ohne besonderen Fokus, gewissermaßen "nebenbei".


Als ich heute jemandem den dritten Teil der Einweihung in die Mahantarapatha-Technik "Adipavana" geben durfte, konnte ich sehr konkret spüren, wie dieser liebe Mensch durch mein Wirken etwas wiederbekommen hat, was ihm eigentlich schon immer gehörte. Es ist mit Worten schwer auszudrücken. Jegliche Beschreibung wirkt ungelenk und platt. Da geschieht etwas sehr Subtiles, und doch Machtvolles. Von außen betrachtet sieht es vielleicht so aus, als würde man einfach eine Meditationstechnik weitergeben. Innerlich kann ich aber spüren, wie mir die Ehre zuteil wird, etwas zu schenken, das mir heilig ist. Einem anderen Menschen etwas zu geben, was mir das Wertvollste ist. Lange Zeit hatte ich diese Meditationstechnik selbst praktiziert - und ich kenne die Schätze, die sich mir dadurch eröffneten. Es ist für mich ein großer Segen, einem anderen Menschen auch dieses Potenzial eröffnen zu können.

Und so spüre ich nun in mir etwas heller werden - etwas danach rufen sich entfalten zu dürfen. Ein Aspekt des absoluten Potenzials - der unbegrenzten Möglichkeiten - beginnt, sich durch mich in meiner individuellen Form in Raum und Zeit manifestieren zu wollen.

Während ich diesen Ruf im Zentrum meines Kopfes mit einem "Ja" beantworte, fühle ich, wie mein Herz sich in meiner Brust weitet und alles um mich herum klarer, strahlender, freudiger wird. Und so bleibt mir, mit Tränen der Rührung in meinen Augen, nur ein Wort zu sagen. Es ist wohl das machtvollste Wort in unserer Sprache:

DANKE!

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